Zwangsstörungen

Zwangsstörungen und Zwangsspektrumsstörungen stehen seit vielen Jahren im Zentrum unserer Forschung. Hierbei beschäftigen wir uns sowohl mit Themen der Grundlagenforschung (z.B. kognitive Verzerrungen) als auch der Entwicklung und wissenschaftlichen Überprüfung innovativer Behandlungsangebote (z.B. technisch-augmentierte Expositionstherapien, App-gestützte Selbsthilfeinterventionen, Bergen 4-Day Treatment [B4DT]).

Unsere Ziele bestehen darin, …

  • …Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung (u.a. zu kognitiven Verzerrungen) auch für psychologische Behandlungskonzepte nutzbar zu machen und in konkrete psychotherapeutische Anwendungen umzusetzen („bench to bedside“). Beispiele sind Therapieprogramme wie das Metakognitive Training für Zwangsstörungen, neue Therapietechniken wie die Assoziationsspaltung und Selbsthilfeinterventionen wie das Buch „Erfolgreich gegen Zwangsstörungen“.
  • …unsere Behandlungskonzepte hinsichtlich Sicherheit, Akzeptanz vonseiten der Patient:innen und Wirksamkeit zu überprüfen sowie aufgrund der Ergebnisse zu verbessern.
  • …die Verbreitung (Dissemination) und Effektivität etablierter evidenzbasierter Methoden für Zwangsstörungen (v.a. Expositionsbehandlung) durch den Einsatz neuer Technologien (z.B. virtuelle und gemischte Realität) und Therapieformate (z.B. im Kompaktformat) zu steigern.
  • …Therapieprozesse in der psychologischen Behandlung von Zwangsstörungen besser zu verstehen, um Angebote zu optimieren.

Im Folgenden finden Sie eine Übersicht über unsere Grundlagenforschung sowie unsere Psychotherapieprozess- und Interventionsforschung.

Grundlagenforschung

Die Themen unserer Grundlagenforschung zu Zwangsstörungen sind vielfältig. In einem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Projekt haben wir uns u.a. Gedächtnisprozessen (z.B. nonverbales Gedächtnis, Metagedächtnis) gewidmet. Weiterhin beschäftigen wir uns mit der Informationsverarbeitung bei Zwangspatient:innen, indem wir Auswirkungen von Priming-Effekten und Besonderheiten der Informationsverarbeitung anhand semantischer Netzwerke (Assoziationen) bei Patient:innen mit Zwängen untersuchen. In unserer Forschung beschäftigen wir uns viel mit kognitiven Verzerrungen bei Patient:innen mit Zwangsstörungen (z.B. überhöhtes Verantwortungsgefühl, Perfektionismus), denen eine besondere Bedeutung bei der Entstehung und der Aufrechterhaltung von Zwängen zukommt.

Während unsere Studien einen Zusammenhang zwischen Zwang und kognitiven Verzerrungen erhärten, betreffen neurokognitive Defizite wie Gedächtnisprobleme nur eine Minderheit der Betroffenen und gehen eher auf sekundäre oder Kontextfaktoren wie Ablenkung durch Zwangsgedanken oder mangelnde Motivation zurück.

In verschiedenen Studien unserer Arbeitsgruppe untersuchen wir außerdem, ob zwischenmenschliche Einstellungen von Personen mit Zwangsstörungen von hoher Ambivalenz gekennzeichnet sind, d.h., inwieweit prosoziale Einstellungen (z.B. hohe moralische Standards) antisozialen Impulsen (z.B. Misstrauen, latente Aggression) gegenüberstehen. Damit einhergehend befassen wir uns mit der Untersuchung aggressiver Selbstkonzepte bei Personen mit Zwangsstörungen mithilfe impliziter Maße (z.B. Impliziter Assoziationstest [IAT], Implicit Relational Assessment Procedure [IRAP])

Nicht zuletzt interessieren uns die Epidemiologie und die Ätiologie von Zwangsstörungen. Um die Entstehung und die Entwicklung von Zwangsstörungssymptomen besser zu verstehen, untersuchen wir u.a. auch Auswirkungen der COVID-19-Pandemie im Quer- und Längsschnitt in klinischen und nicht-klinischen Populationen.

Psychotherapieprozessforschung

Um nicht nur zu wissen, ob eine Therapie hilfreich ist, sondern auch zu verstehen, wie die einzelnen Komponenten wirken, beschäftigen wir uns mit spezifischen Effekten einzelner Therapieeinheiten (z.B. Modulen) verschiedener Interventionen (u.a. des Metakognitiven Trainings bei Zwangsstörungen).

Vor diesem Hintergrund sehen wir uns ebenfalls mögliche Prädiktoren für den Therapieerfolg an, explorieren Mediatoren und betrachten die Veränderung einzelner Variablen (z.B. kognitiver Verzerrungen) innerhalb einer Therapieeinheit. Anhand dieser vertieften Untersuchungen können wir zum einen nachvollziehen, welche Einheiten die angenommene Wirkung entfalten (und welche nicht), und zum anderen weitere methodische Erkenntnisse zur Erhebung (z.B. verbesserte Gestaltung der modulspezifischen Fragebögen) und anhand detaillierter Analysen (z.B. zum Fortschritt verschiedener Variablen über den Therapieverlauf) gewinnen.

Wir verfolgen mit diesen Maßnahmen das Ziel, die Therapien optimal auf die Bedürfnisse der Patient:innen zuzuschneiden und durch das Verständnis über die einzelnen Komponenten die Sicherheit der Therapie (und ihrer Elemente) zu gewährleisten.

Hauptbeteiligte

  • Prof. Dr. Lena Jelinek
  • Prof. Dr. Steffen Moritz
  • Dipl.-Psych. Birgit Hottenrott
  • Dr. Franziska Sophia Miegel
  • M. Sc. Luzie Lohse
  • M. Sc. Jakob Scheunemann
  • Dr. Marit Hauschildt
  • Dr. Lara Rolvien (ehemals Bücker)
  • Dr. med. Amir Yassari
  • M. Sc. Maren Schäfer
  • M. Sc. Josephine Schultz
  • M. Sc. Stella Schmotz
  • Dipl.-Psych. Anna Baumeister
  • Dr. med. Christina Müller

Kooperationspartner:innen

  • Dr. Terence H. W. Ching (Yale University School of Medicine, USA)
  • Dr. Barbara Cludius (Ludwig-Maximilians-Universität München)
  • Dr. Anne Daubmann (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf)
  • Anja Göritz (Universität Augsburg)
  • Prof. Dr. Iver Hand (Verhaltenstherapie Falkenried, Hamburg)
  • Prof. Dr. Kristen Hagen (Norwegian University of Science and Technology, Trondheim, Norwegen)
  • Prof. Dr. Bjarne Hansen (Bergen Center for Brain Plasticity, Haukeland University Hospital, Bergen, Norwegen)
  • Dr. Philip Herzog (Universität Kaiserslautern-Landau)
  • Dipl.-Psych. Ina Jahn (Zentrum für Seelische Gesundheit, HELIOS Park-Klinikum Leipzig)
  • Fabian Jäger (PatientZero Games, Hamburg)
  • Prof. Dr. Norbert Kathmann (Humboldt Universität Berlin)
  • Dr. Anne Katrin Külz (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg)
  • Prof. Dr. Levente Kriston (Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf)
  • Prof. Dr. Philip Lindner (Karolinska Institutet, Stockholm, Schweden)
  • Dr. Sarah Liebherz (Institut für Psychotherapie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf)
  • Prof. Dr. Helmut Peter (MVZ Falkenried)
  • Antonia Peters (Deutsche Gesellschaft Zwangserkrankungen)
  • Prof. Dr. Michael Reiniger (Institut für Psychotherapie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf)
  • Prof. Dr. Anja Riesel (Universität Hamburg)
  • Prof. Dr. Julian Rubel (Justus-Liebig-Universität Gießen)
  • Dr. Alexander F. Schmidt (Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn)
  • Prof. Dr. Johanna Schröder (Hamburg Medical School)
  • Dr. Katarina Stengler (Zentrum für Seelische Gesundheit, HELIOS Park-Klinikum Leipzig)
  • Dr. Peter Tonn (Neuropsychiatrisches Zentrum Hamburg)
  • Prof. Dr. Ulrich Voderholzer (Schön Klinik Roseneck, Prien am Chiemsee)
Auswahl von Publikationen – Grundlagenforschung

Gedächtnis

Moritz, S., Kloss, M., Jahn, H., Schick, M., & Hand, I. (2003). Impact of comorbid depressive symptoms on nonverbal memory and visuospatial performance in obsessive-compulsive disorder. Cognitive Neuropsychiatry, 8, 261–272. https://doi.org/10.1080/135468000344000020

Moritz, S., Ruhe, C., Jelinek, L., & Naber, D. (2009). No deficits in nonverbal memory, metamemory and internal as well as external source memory in obsessive-compulsive disorder (OCD). Behaviour Research & Therapy, 47, 308–315. https://doi.org/10.1016/j.brat.2009.01.004

Moritz, S., Hottenrott, B., Jelinek, L., Brooks, A. M., Scheurich, A. (2012). Effects of obsessive-compulsive symptoms on neuropsychological test performance: complicating an already complicated story. Clinical Neuropsychology, 6, 31–44. https://doi.org/10.1080/13854046.2011.639311

Moritz, S., Wahl, K., Zurowski, B., Jelinek, L., Fricke, S., & Hand, I. (2007). Enhanced perceived responsibility decreases metamemory but not memory accuracy in obsessive-compulsive disorder (OCD). Behaviour Research and Therapy, 45, 2044–2052. https://doi.org/10.1016/j.brat.2007.03.003

Moritz. S., Xie, J., Lion, D., Penney, D., Jelinek, L. (2021). Impaired test performance yet spared neurocognitive functioning in individuals with obsessive-compulsive disorder: the role of performance mediators. Cognitive Neuropsychiatry, 26, 394–407. https://doi.org/10.1080/13546805.2021.1967733

Semantische Netzwerke/Aufmerksamkeit

Jelinek, L., Hauschildt, M., Hottenrott, B., Kellner, M., & Moritz, S. (2014). Further evidence for biased semantic networks in obsessive-compulsive disorder (OCD): When knives are no longer associated with buttering bread but only with stabbing people. Journal of Behavior Therapy and Experimental Psychiatry, 45, 427–434. https://doi.org/10.1016/j.jbtep.2014.05.002

Jelinek, L., Hottenrott, B., & Moritz, S. (2009). When cancer is associated with illness but no longer with animal or zodiac sign: investigation of biased semantic networks in obsessive-compulsive disorder (OCD). Journal of Anxiety Disorders, 23, 1031–1036. https://doi.org/10.1016/j.janxdis.2009.07.003

Moritz, S., Von Muhlenen, A., Randjbar, S., Fricke, S., & Jelinek, L. (2009). Evidence for an attentional bias for washing- and checking-relevant stimuli in obsessive-compulsive disorder. Journal of the International Neuropsychological Society, 15, 365–371. https://doi.org/10.1017/S1355617709090511

Dysfunktionale Überzeugungen

Cludius, B., Landmann, S., Külz, A. K., Takano, K., Moritz, S., & Jelinek, L. (2022). Direct and indirect assessment of perfectionism in patients with depression and obsessive-compulsive disorder. PLoS One, 17(10), e0270184.https://doi.org/10.1371/journal.pone.0270184

Miegel, F., Jelinek, L., Yassari, A. H., Balzar, A., & Moritz, S. (2022). Core dysfunctional beliefs in patients with obsessive–compulsive disorder are shared with patients with anxiety disorder according to the revised Beliefs Questionnaire. Current Psychology, 0123456789. https://doi.org/10.1007/s12144-022-03464-6

Miegel, F., Jelinek, L., & Moritz, S. (2018). Dysfunctional beliefs in patients with obsessive-compulsive disorder and depression as assessed with the Beliefs Questionnaire (BQ). Psychiatry Research, 272, 265–274. https://doi.org/10.1016/j.psychres.2018.12.070

Miegel, F., Daubmann, A., Moritz, S., Balzar, A., Yassari, A.-H., & Jelinek, L. (2023). Obsessive-compulsive symptom dimensions and their relationships with obsessive beliefs: A structural equation modeling analysis. Psychiatric Quarterly. https://doi.org/10.1007/s11126-023-10037-8

Zwischenmenschliche Einstellungen

Cludius, B., Schmidt, A. F., Moritz, S., Banse, R., & Jelinek, L. (2017). Implicit aggressiveness in patients with obsessive-compulsive disorder as assessed by an Implicit Association Test. Journal of Behavior Therapy and Experimental Psychiatry, 55, 106–112. https://doi.org/10.1016/j.jbtep.2018.05.004

Michnevich, T., Schmidt, A. F., Scheunemann, J., Moritz, S., Miegel, F., & Jelinek, L. [split last authors] (2021). Aggressiveness in patients with obsessive-compulsive disorder as assessed by the Implicit Relational Assessment Procedure. Journal of Contextual Behavioral Science, 21, 176–186. https://doi.org/10.1016/j.jcbs.2021.06.008

Moritz, S., Kempke, S., Luyten, P., Randjbar, S., & Jelinek, L. (2011). Was Freud partly right on obsessive-compulsive disorder (OCD)? Investigation of latent aggression in OCD. Psychiatry Research, 187, 180–184. https://doi.org/10.1016/j.psychres.2010.09.007

COVID-19-Pandemie

Jelinek, L., Göritz, A., Miegel, F., Moritz, S., & Kriston, L. (2021). Predictors of trajectories of obsessive-compulsive symptoms during the COVID-19 pandemic in the general population in Germany. Translational Psychiatry, 11(1), 323. https://doi.org/10.1038/s41398-021-01419-2

Jelinek, L., Moritz, S., Miegel, F., & Voderholzer (2021). Obsessive-compulsive disorder during COVID-19: Turning a problem into an opportunity? Journal of Anxiety Disorders, 77, 102329. https://doi.org/10.1016/j.janxdis.2020.102329

Jelinek, L, Moritz, S., Voderholzer, U., Göritz, A., Riesel, A., Yassari, A. H., Miegel, F. (2022). Unrealistic pessimism and obsessive-compulsive symptoms during the COVID-19 pandemic: Two longitudinal studies. British Journal of Clinical Psychology, 61, 816–835. https://doi.org/10.1111/bjc.12362

Jelinek, L, Voderholzer, U., Moritz, S., Carsten, H. P., Riesel, A., & Miegel, F. (2021). When a nightmare comes true: Change in obsessive-compulsive disorder over the first months of the COVID-19 pandemic. Journal of Anxiety Disorders, 84. https://doi.org/10.1016/j.janxdis.2021.102493


Auswahl von Publikationen – Psychotherapieprozessforschung

Claus, N., Miegel, F., Jelinek. L., Landmann, S., Moritz, S., Külz, A.-K., Rubel, J., & Cludius, B. (2023). Perfectionism as possible predictor for treatment success in third-wave treatments for obsessive-compulsive disorder. Cognitive Therapy and Research, 47, 439–453. https://doi.org/10.1007/s10608-023-10361-0

Miegel, F., Cludius, B., Hottenrott, B., Demiralay, C., & Jelinek, L. (2020). Session-specific effects of the Metacognitive Group Training for Obsessive–Compulsive Disorder: Significant results for thought control. Scientific Reports, 10(1). https://doi.org/10.1038/s41598-020-73122-z

Miegel, F, Rubel, J., Ching, T., Yassari, A.-H., Bohnsack, F., Duwe, M., & Jelinek, L. (2023). How to assess and analyze session-specific effects and predictors using the example of the metacognitive training for patients with obsessive-compulsive disorder. Clinical Psychology and Psychotherapy. https://doi.org/10.1002/cpp.2876

Miegel, F., Schröder, J., Schultz, J., Müller, J. C., & Jelinek, L. (2023). Expected increase in health competence improves over modules of an unguided internet‐based cognitive‐behavioral therapy for obsessive‐compulsive disorder. International Journal of Psychology. https://doi.org/10.1002/ijop.12919